arbeit und kunst

arbeit und kunst

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malerei beinhaltet zeit.

je mehr zeit ich an einem bild male, desto mehr zeit wird auf der leinwand komprimiert und somit materilaisiert.

in der welt der produktion und verwertbarkeit bewährt sich das. der wert von produkten wird anhand des arbeitsaufwandes bemessen, weil jede arbeitsstunde geldinvestition bedeutet. zumindest war das in einer welt vor globalisierung und digitaltechnik so.

malerei kann man nicht nach diesen masstäben bewerten, und hier beginnt die allgemeine verunsicherung.

was ist kunst?

wo liegt ihr wert?

wie karl valentin sagt: “kunst ist schön, macht aber viel arbeit.”

natürlich ist das so. das weiss jeder künstler, der ernsthaft schafft.

doch möchte ich gerade diesen aspekt nicht (mehr) im bild sehen. beflissentlicher schweiss oder erschöpftes stöhnen, das noch aus dem rahmen quillt, schrecken mich ab.

im gegenteil:

ich möchte den schweiss der angst fühlen, die nässe der lust oder auch die tränen der verzweiflung. emotionen.

die arbeit dabei, das ist lediglich ein vehikel, das dem maler ermöglicht, empfindungen in bildern auszudrücken und kanäle zu seinem inneren zu öffnen.

nichts ist bewegender als einer nackten seele zu begegnen fern von jeder anstrengung.

und bilder geben diese möglichkeit aus der welt der physis auszubrechen und in das rein geistige einzutreten.

es klingt widersprüchlich. ist es vielleicht auch, denn genauso liebe ich die geste. diese momente, wenn ich in einem bild den anschlag der farbe nachempfinden kann und durch die geste des malers seine emotion miterlebe.

ja, es ist wie im zirkus. die akrobaten oder löwenbändiger arbeiten tag und nacht unter härtesten bedingungen, um scheinbar undenkbare dinge zu vollbringen.

abends aber in der manage, da glänzen sie wie sterne. sie lassen uns die welt des “reellen” vergessen und führen uns mit einer leichtigkeit und schwerelosigkeit in eine welt der träume und des nie erfahrenen.

würden sie vor anstrengung stöhnen und mit verzerrt verbissenen zähnen am seile erbärmlich klammern, so empfände ich mitleid und würde sie bedauern, in andere welten jedoch würde und wollte ich nicht mit ihnen ziehen.

12 Gedanken zu “arbeit und kunst

  1. Wenn etwas für den betreffenden Künstler nur durch Akribie befriedigend zum ihn befriedigenden Ausdruck gelangt, dann soll er sich alle zeit der Welt nehmen, aber wenn es für das aus ihm / ihr herausbrechende Gefühl ein schneller Wurf genügt, und das spürbar, erkennbar ist, so ist mir das nicht minder lieb.
    Mag sein, der Akribiker wird zu Unrecht des manirierten Kunsthandwerks verdächtigt, und der schnelle Wurf gerät in den Ruf des Affekts anstelle der Kunst, aber das soll entweder der Kreative selbst nach seinem Gefühl bewerten. oder der Betrachter nach seinem eigenen Charakter und den bei ihm ausgelösten Empfindungen,, aber nicht ein Begutachter mit Modellen von weiterverkaufswertorieniterten Umrechnungstabellen im Kopf.

  2. Die Bilder werden außerhalb der Physis erschaffen, sie sind nackte Seele, wenn es dem Maler gelingt, das nichtphysische umzusetzen, ohne sich zu verbiegen, vorausgesetzt, er versteht sich selbst. Und da hast du recht: die konkrete Mühe ist etwas rein physisches, was in dem Bild nichts zu suchen hat, die Mühe entstammt nicht dem nichtphysischen Bereich.

  3. Vor zwei Jahren haben zwei amerikanische Wissenschaftler den Nobelpreis erhalten, weil sie erstmalig festgestellt und nachgewiesen haben, dass allein die bloße Wahrnehmung die Genetik und das Erbgut verändert.

    Diese Dinge werden leider nie weiter gedacht und gedanklich weiter verfolgt. Im Bereich der Quanten-theorie verändert die bloße Wahrnehmung bereits den Verlauf der entsprechenden Quanten. Die bloße Beobachtung eines Versuches verändert den Verlauf dieser Quanten.

    Daraus ergeben sich zwei Dinge: zum einen verändert sich der Wahrnehmende, zum anderen verändert sich dass, was ich wahrnehme.

    Wie verhält es sich mit der Wahrnehmung eines Bildes. Es verändert sich der Betrachter und es verändert sich das Bild. Es bildet sich eine elektromagnetische Einheit, welche im Moment der Wahrnehmung neu geschaffen wird, und nicht vergänglich ist.

    Es ist wahrnehmende Einheit, wenn man sich dieses Vorganges bewusst ist, verändert sich die Fähigkeit der Wahrnehmung, sie wird umfassender, ähnlich, als wenn einem Gehörlosen, der reduzierter wahr-nimmt, der Hörsinn gegeben wird. Er nimmt umfassender wahr.

    Dieses Bild wird tiefer wahrgenommen, es ergeben sich neue Erkenntnisse, eine tiefere Wahrnehmung, es wird die nackte Seele der Künstlerin wahrgenommen, die sich im Bild materialisiert hat und welche Im-pulse an den Wahrnehmenden aussendet, aber auch Impulse des Wahrnehmenden an das Bild – und die Künsterlin.

    Eine derartige Wahrnehmung ist nicht physisch. Sie ist energetisch und die Antwort auf die Frage, was ist Kunst. Eine Kunst, bzw. ein Bild, welches nichts beeinhaltet ausser Mühe, ausser egoistischer und stüm-perhafter Selbstdarstellung, wirkt nicht.

    • ich glaube auch an eine energetische wahrnehmung.
      ich selber bezeichne es oft mit dem wort “mysterium”. es ist jenseits unseres ratios und lässt sich darum so schwer in worte fassen. wir SPÜREN es.
      ein super spannender beitrag. danke!

  4. dieser Satz: “ich möchte den schweiss der angst fühlen, die nässe der lust oder auch die tränen der verzweiflung. emotionen”, liebe Eva, bleibt bei mir hängen, denn das will ich auch, ich will berührt werden und wenn ich selbst berühren kann, jenseits von nur schön, dann ist es mir eine große Freude!
    Nein, Kunst kann man nicht in Zeit und Aufwand bemessen, wie aber überhaupt, das entzieht sich mir … und bleibt wohl immer schwammig?!

    herzliche Grüße
    Ulli
    übrigens, ein feines Bild!

  5. Ich möchte meinen vorigen Kommentar ergänzen. Du komprimierst nicht nur Zeit in das Bild und materialisierst eine Idee. Nicht nur die Arbeit ist ein Vehikel, welches Kanäle zu seinem Inneren öffnet, sondern das fertige Bild ist ebenfalls nur ein Vehikel.

    Künstlerische Empfindungen und Ideen (= Wahrnehmung) sind den Gedanken ähnlich, unterscheiden sich aber grundlegend. Es geht bei den Bildern um Wahrnehmung von Emotionen. Wie mache ich Emotionen wahrnehmbar. Gedanken werden kommunikativ ausgetauscht, bildhafte Emotionen werden nicht ausgetauscht, sondern bilden eine Einheit zwischen dem Bild und dem Betrachter, unterscheiden sich also grundlegend von den Gedanken.

    Diese Bildung einer energetischen Einheit zwischen Bild und Betrachter führt dazu, dass bestimmte Bilder oder auch Skulpturen extreme Anziehungskraft auslösen. Das Bild sammelt diese Einheiten, stark vereinfacht gesagt: je mehr Betrachter, umso mehr strahlt das Bild aus.

    Emotionen unterscheiden sich molekular von Gedanken hinsichtlich ihrer Struktur und ihrer Eigenschaften. Es findet keine Vermischung von Gedanken statt bei einem Gedankenaustausch, sondern wechselseitige Kommunikation. Emotionen haben eine energetische Eigenschaft, wonach sie sich anziehen und verbinden und bei dem Betrachter, aber vor allem – und dass ist es was hier interessiert – bei dem Bild verbleiben. Bei jedem neuen Betrachter bilden sich und verbleiben daher auch verstärkte emotionale Einheiten bei dem Bild.

    Das gilt natürlich für jede Form von Kunst, das ist aber der Grund, weshalb Bilder, Kunst, Literatur, Musik so eine gesellschaftliche Sprengkraft haben, siehe Kulturrevolution in China.

    Es sammeln sich derart intensive Energien in der Kunst, dass Staaten weggefegt werden können. Gleichzeitig befinden sich diese Energien auch bei den Wahrnehmenden, Kunst und Wahrnehmende bilden eine Energieeinheit. Daher kommt die gewaltige Sprengkraft der Kunst, wenn diese Energien sich so stark intensivieren, dass sie sich freisetzen, bzw. explodieren.

    Natürlich hat die Einheit zwischen Betrachter und Bild unterschiedliche Intensitäten. Bei dem Bild im Blog wird das besonders deutlich. Das Bild war schon immer Anlass für eine eingehende Betrachtung. Im Blog hat dein Eintrag nicht zuletzt wegen dem Bild schon10 Kommentare. Ich glaube, dass ist bisher die höchste Anzahl an Kommentaren. Das kommt von der hohen Intensität dieser emotionalen Energien, die das Bild beinhaltet und dieses wird von den Betrachtern aufgefangen und führt zu der großen Resonanz. Auch wenn die Kommentare sich fast alle auf den Text beziehen, bilden wiederum Text und Bild eine weitere Emotionale Einheit.

    • ein toller kommentar, der auch die kraft des betrachters für das bild ausdrückt. DANKE!
      ich erinnert mich an einen text von bettina von arnim an clemens bretano, in dem sie mit einer linde spricht.. “denken beseelt”:

      “Ich will in die Wolken schauen und in den Mond, von dem eben der Tag Abschied nimmt, und ich will so lang hineinsehen, bis ich eine andre Welt entdecke, und wenn ich sie gefunden hab, dann soll keine Träne mehr neidisch mir den Glanz verdunklen, in dem meine Seele ihre Farben spiegelt! –
      Und was flüsterst du Linde mir ins Ohr? – Grün, grün ist die zarte Farbe der Seelenruh, grün im Abendschein ist die Wiege der Träume! Und jeder Halm wiegt einen Traum, und mein Geblätter raschelt im Netz der Träume, und es winkt Dir! –
      Ach schweig du Linde, es ist Nachtzeit, die Sterne glitzern durch dein Laub und reden anderes; und das rieselt mir durchs Gebein! – Ahnung soll künftig meine Seherin sein, und wenn ich ihr die Töne meiner liebenden Trauer geliehen hab, um das Schwellen zu malen und das Sinken ihrer sehnenden Gewalt, so soll sie mich wieder trösten, die, ein ewiges Meer, alle Wehmutstränen in ihren Wogen fortwälzt, bis sie vom Trübsinn gereinigt aufsteigen als elektrisch Feuer aus ihrem Wellenschoß. –
      Ach Du! – flüstert die Linde – sei nicht hoffärtig, das löst nicht den Zauber.
      Ich horche auf dich nicht, Linde, ich lausche den Sternen da oben! – Ich hör Musik, sie schmelzen ihr Licht ins dunkle Nachtblau, ihre Strahlen klirren im Tanz aneinander.
      Was Du nur willst mit Deinen hochstrebenden Gefühlen, sagt wieder die Linde; sie langen ja nicht hinauf, komm unter meine Krone, sie schüttelt ihren Tau auf Dich, damit fühl Dich gesegnet.
      Ach nein, immer lauter und klarer klingen die Sterne, ich hör, wie sie freudig ihre harmonische Verwandtschaft in die freien Lüfte tönen.
      O wehre meinem Flüstern nicht, sagt wieder die Linde und schmeichelt – und meint, was ist denn Musik der Sterne dagegen? – Wolle mich denken, Du schaffest meinen Geist durch Dein Begreifen meiner Natur, daß der wieder sich um Dich winde, wie jetzt der Deinige sich um mich windet, er soll Dich berühren und immer, bis Deine Seele leicht und kühn sich aufschwingen lernt zu eigner Freude, in einem Zug lieblich sprechender Töne!
      Was sagst du Linde? – Ist mein Begreifen deines Geistes spielende Seele? –
      Linde sagt: Meine Seele rieselt mit Schauern zu Dir hinüber, weil Du sie denken magst. Denken beseelt, alle Wesen färben sich im Gedankenlicht. Was ist der Abendschein Deinen Gedanken, daß sie weit über Feld mit ihm fliegen, und weil Du ihn fühlst. Und wäre Denken nicht, so würde kein Wesen mehr beseelt sein, und die Schöpfung würde stumm in sich versinken. Denken beseelt, und alles Wesen erklingt in eigner spielender Farbe in seinem Licht, wodurch alles lebt und sich unsterblich glaubt, und doch hängen sie nur vom Geiste ab, der das Denken ist.
      Wir glauben uns selbst zu erkennen als lebend, und die geheime Freude des Werdens in uns ist doch, weil wir erklingen im Geist, der uns denkt! –
      Sag ich wieder: So denke mich, Linde, denn schöner möcht ich nicht im Gedanken reifen als in dem grünen Schimmer deiner Blätter, den der Abendschein küßt, und möcht nicht edler meinen Geist hinaufgetragen wissen als im Duft deiner Blüten.
      Die Linde rauscht im Wind und schüttelt sich, es kitzelt sie, daß ich so artige Worte mit ihr geredet hab, es passiert ihr nicht alle Tag.”

  6. Ein sehr schöner und typischer Satz aus Deinem Kommentar und zitiertem Text ist folgender:

    „Du schaffest meinen Geist durch Dein Begreifen meiner Natur, dass der wieder sich um Dich winde, wie jetzt der Deinige sich um mich windet, er soll Dich berühren und immer, bis Deine Seele leicht und kühn sich aufschwingen lernt zu eigner Freude, in einem Zug lieblich sprechender Töne“

    Auch wenn ich die Wahrnehmung medial erklärt habe, wird sie jedoch sehr unmedial mit den schlichten fünf Sinnen erlebt. Hier hat Bettina von Arnim wunderbare Worte der Wahrnehmung gefunden, die sie nicht gedichtet, sondern mit Sicherheit selbst tief erlebt hat. Sie beschreibt das gegenseitige Einssein, hier am Beispiel der Natur. In der Kunst habe ich das selten erlebt, einmal bei der La Pieta von Michelangelo, einer Skulptur, die mich noch heute bewegt und vor der ich ergriffen gestanden habe und zum anderen bei Antoine Watteau „Gilles“, beides Kunstwerke, die mich seit Jahrzehnten bewegen. Bei Nachbildungen dieser beiden Kunstwerke habe ich diese Ergriffenheit merkwürdigerweise nicht.

    Es geht nach wie vor um Wahrnehmung. Das Wahrnehmen der Natur ist neben Kunst eines der erhebendsten Momente, im Sommer, nachts, wenn die Wahrnehmung im Dunkeln fokussiert ist auf Weniges, der laue mich ummantelnde Wind, das leise Rauschen der Blätter, der sternenklare Himmel, spürt man das Einssein mit der Natur, man nimmt sich und die Umwelt als Einheit war. Es sind Momente des Glücks und des allumfassenden Wissens um das Einssein mit der Schöpfung. Wahrnehmung als Erfüllung der Fragen, warum gibt es mich, was wird aus mir. Der laue mich ummantelnde Sommerwind des Nachts beantwortet mir diese Fragen. Meine Seele erhebt sich in die Lüfte, glücklich, leicht, fröhlich, seit Ewigkeiten und für immer, nicht mehr fragend, sondern wissend

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